Geschichten die der Fußball schreibt !

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Unvergessen bleiben

EFC Ruhla 08 e.V.

Tabarz 30.09.2010

EFC Ruhla 08 e.V. Saison 2010/11 / Landesklasse Nord

Der EFC Ruhla 08 e.V. spielt in der Landesklasse Nord, ebenso wie der große Rivale Wartburgstadt Eisenach. Seit 13 Jahren konnte Ruhla gegen Eisenach nicht mehr gewinnen. Der Ruhlaer Trainer Lars Dorn kam auf eine außergewöhnliche Idee. Er wollte das Abschlußtraining vor dem Spiel gegen Eisenach ausfallen lassen und dafür nach Tabarz in die Fußballausstellung kommen. Sein Plan, ich sollte seine Mannschaft alte Tugenden wieder näher bringen.

Natürlich freute ich mich über das entgegengebrachte Vertrauen. Aber ich sagte auch : "Und wenn das schief geht ? Lars, die steinigen Dich in Ruhla und Du warst längste Zeit Trainer ? Überleg Dir das gut ! Du weißt, welche Bedeutung das Derby hat !" Doch Lars hatte anscheinend nichts zu verlieren und antwortete : "Als Trainer muß man auch mal ungewöhnliche Wege gehen ! Mach Dir deshalb kein Kopf !" Na dann, an mir soll es nicht scheitern, dachte ich. Aber wie sahen die Erfolgschancen tatsächlich aus ? Ruhla stand zu diesem Zeitpunkt relativ weit hinten und Eisenach in der Tabelle ganz vorn.

Am Donnerstag den 30.09.2010 besuchten mich die Landeskicker aus dem Erbstromtal in Tabarz. Im Vorfeld teilten wir die Spieler in zwei Gruppen auf, mit jeweils 10 Leuten. Die Gruppen kamen zeitversetzt in die Ausstellung. In der ersten Gruppe waren mehr ältere Spieler. Ich bemerkte sofort ihr Interesse. Viele ehemalige Nationalspieler, die ich in meiner Ausstellung präsentiere, waren für sie ein Begriff und neugierig hörten sie mir zu, was ich alles so zu erzählen habe. Nach 1,5 Stunden wechselten die Gruppen. Lars Dorn, der in der ersten Gruppe dabei war, sagte zu mir, dass ich mich nicht verrückt machen lassen soll, wenn ich die ganz jungen Spieler in der zweiten Gruppe nicht begeistern kann. Den Älteren hätte es jedenfalls sehr gut gefallen. Der Ruhlaer Trainer machte sich mit der ersten Gruppe auf dem Weg zur Gaststätte "Deysingslust" in Tabarz. Dort wollte man gemeinsam essen und sich auf das wichtige Spiel einstimmen. Die zweite Führung dauerte 2 Stunden. Die jungen Spieler verharrten in meiner Ausstellung und ich merkte, dass die Fußballgeschichte auch von ihnen sehr gut angenommen wird. Lars rief mich sogar an und fragte, wann wir endlich fertig wären, sie hätten schließlich schon großen Hunger. Mein größtes Geschenk an diesem Abend, Applaus von jungen Fußballern ! Als sie sich von mir verabschiedeten, fragten sie mich, ob ich am Samstag zum Spiel nach Ruhla komme. Ich konnte nicht sofort antworten, weil es dazu eine kleine Vorgeschichte gibt.

Als aktiver Fußballer wechselte ich 1988 mit meinem Sportkameraden Michael Stypa von Motor Gotha zur TSG Ruhla. Wir bekamen eine Wohnung direkt am Stadion, und wir arbeiteten ab sofort nur noch halbtags. Ideale Bedingungen. Michael war zu der Zeit auch mein bester Freund und eben auch meine Bezugsperson. Wir kamen beide aus Tabarz, gingen zusammen zur Schule, spielten in den selben Vereinen. Unsere Väter fuhren uns schon als Kinder jedes Wochenende durch die Kreisstadt zum Fußball. Wir hätten beide bei Motor Gotha bleiben können, doch das verlockende Angebot aus Ruhla konnten wir nicht abschlagen. In der Ruhlaer Mannschaft waren wir mit die jüngsten Spieler. Viele der älteren Fußballer hatten DDR-Liga Erfahrung. Es war schwer, Anschluss zu bekommen. Leider wurde mein Kumpel kurz nach unserem Vereinswechsel zum Wehrdienst eingezogen. Das war sehr schlecht für mich. Ich begann das Training zu schwänzen und überhaupt verlor ich immer mehr den Spaß am Fußball. Natürlich ist es reizvoll, Geld mit dem Fußball zu verdienen oder vor größeren Kulissen zu spielen. Ich war erst 18 Jahre und hatte keine Geduld darauf zu warten, endlich Stammspieler zu werden. Oft ging ich übermotiviert in das Spiel und konnte dadurch nicht überzeugen. Verletzungen kamen hinzu und warfen mich in den ungünstigsten Momenten zurück. Irgendwie passte nichts mehr. Mein Abschied aus Ruhla erfolgte durch die Flucht über die Prager Botschaft in die Bundesrepublik.

TSG Ruhla, Saison 1988/89 / DDR-Bezirksliga

Jetzt sollte ich nach 22 Jahren zurück in meine alte Wirkungsstätte kommen. Ich war es den Spielern aus Ruhla schuldig. Mit meinem Vater zusammen ging es mit dem Auto Richtung Stadion "Mittelwiese". Als ich das Stadion betrat, mußte ich feststellen, dass sich kaum etwas verändert hatte. Es war so, als wäre die Zeit hier stehen geblieben. Viele Zuschauer waren schon vor Ort. Wir beobachteten beide Teams, wie sie sich auf dem Rasen bewegten und sich auf das Spiel vorbereiteten. Eisenachs Trainer und ehemaliger Oberligaspieler Albert Krebs, hatte eine technisch sehr gute Mannschaft aufgestellt. Die Erwärmung verlief synchron und hochkonzentriert. Auf der anderen Spielhälfte die Ruhlaer Mannschaft. Auch dort merkte man die gewisse Anspannung. Aber bei der  Erwärmung lief alles etwas anders ab. Ungeordneter, würde ich sagen. Technisch waren die Ruhlaer für mich den Eisenachern klar unterlegen. Ich sagte zu meinem Vater:  "Hoffentlich kommt das nicht raus, das die Spieler von Ruhla bei mir in der Ausstellung waren, um sich für dieses Spiel motivieren zu lassen. Das gibt heute eine deftige Klatsche !" Mein Vater beruhigte mich und sagte : "Warte ab !"

Er sollte recht behalten. Ruhla lies Eisenach nicht ins Spiel kommen. Jeder rannte und kämpfte. Dadurch kamen die technisch besseren Fußballer aus Eisenach kaum zum Zug. Ruhla führte innerhalb kürzester Zeit 3:0 ! Die Tore alle blitzsauber herausgespielt. Keine Zufallstreffer ! Ich konnte es kaum glauben. Jeder kämpfte für den anderen ! Das Spiel endete 3:1 für Ruhla ! Was für eine Sensation nach 13 Jahren ! Ich wurde zur Siegesfeier eingeladen. Aber das lehnte ich ab. Von mir haben die Spieler nur die Grundlagen für einen möglichen Erfolg erfahren und das in Verbindung mit der Fußballgeschichte. Anwenden und umsetzen mußten sie es alleine. Alte Tugenden, wie Kameradschaft, Zusammenhalt und Disziplin, versetzen Berge ! Ich sehe mich nicht als Vater des Erfolges. Das wäre übertrieben. Dem Trainer Lars Dorn gebührt die größte Anerkennung. Er hat die Mannschaft super auf dieses Spiel eingestellt und hat dabei viel riskiert.

Das legendäre Fußballspiel des EFC Ruhla !!!

Franz Strunz (Doppeltorschütze beim Derby EFC Ruhla - Wartburgstadt Eisenach) :

Das war wirklich die absolut richtige Vorbereitung!!! Super interessant und empfehlenswert!!! Damit haben die Eisenacher nicht gerechnet, damals :-) ! Das beste bzw. schönste Spiel was ich für Ruhla gemacht hab, wahrscheinlich :-) !

Zur WM 1954 besiegte die Deutsche Nationalmannschaft im Finale die Ungarn mit 3:2. Ungarn war bis zu diesem Tag seit 4 Jahren ungeschlagen. In der Vorrunde verloren die Deutschen gegen diese Übermannschaft klar mit 3:8, und man lag auch im Finale schon nach 8 Minuten 2:0 hinten. Was für eine Sensation, was für eine Moral, was für ein Wunder vollbrachten damals die Spieler. Niemals aufgeben, bis zur letzten Minute kämpfen ! Alles ist möglich, wenn die Mannschaft eine verschworrene Einheit ist.

In der Presse stand am Montag nach dem Derby Ruhla gegen Eisenach : "Museum statt Training !" Danke Jungs für dieses Erlebnis ! Danke dem Trainer Lars Dorn für sein Vertrauen !