Fußball-Legende Jürgen Sparwasser kommt nach Tabarz/Thüringen!

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Presseberichte

DDR-Fußball-Legende Sparwasser über Erfurt und sein berühmtes WM-Tor

Thomas Czekalla / 16.04.16 / TLZ

Am 22. Juni 1974 hat sich Jürgen Sparwasser unsterblich gemacht, als ihm bei der Fußball-WM im einzigen Länderspiel der DDR-Fußballgeschichte gegen die BRD das goldene Tor gegen den späteren Weltmeister für die DDR-Nationalmanschaft gelang. Fast 42 Jahre später wird der mittlerweile 67-jährige gebürtige Halberstädter noch immer darauf angesprochen. Am 20. April ist er zu Gast in der Talkrunde bei der Fußballzeitreise e.V. in Tabarz. Die TLZ hatte vorab Gelegenheit zu einem exklusiven Gespräch.

Ihr anstehender Besuch in Thüringen muss für Sie wie eine Fußballzeitreise sein. Das war einst ein gutes Pflaster für Sie?
 
Teils, teils. Zu meiner aktiven Zeit gab es viele harte Duelle vor allem mit dem FC Carl Zeiss Jena, die für mich und meine damaligen Magdeburger nicht immer gut ausgingen. Auch mit Erfurt verbindet mich viel. Eines ist mir in Erinnerung, ich war in der Region immer gut angesehen.
Erinnern Sie sich noch an den 12. März 1966?
 
(überlegt) Helfen Sie mir auf die Sprünge. Was war da?
Als 17-Jähriger haben Sie an dem Tag in Erfurt gegen den SC Turbine Ihr allererstes Oberligator erzielt.
 
Meine Güte, das stimmt. Mir fällt gerade wieder ein, wer damals mein Gegenspieler war.
Sagen Sie es.
Das war Harald Wehner. Ein gestandener Verteidiger. Der hat mich vor dem Spiel so begrüßt, wie man einen Jüngling wie mich damals halt begrüßt hat. Und ich dachte mir, wenn das so weiter geht, werde ich das Spiel nicht überleben. Genau, in dem Jahr bin ich in Erfurt als Stürmer durchgestartet. Aber in dem Jahr sind wir mit Magdeburg leider auch abgestiegen.
Aber danach folgten für Sie traumhafte Jahre.
Ich bin sehr zufrieden, mit dem, was ich erreicht habe. Nur musste ich meine Laufbahn leider mit 31 Jahren nach einer schweren Hüftoperation zu früh beenden. Ich hätte damals gerne noch ein paar Jahre gespielt.
  • Legendärer Moment: DDR-Stürmer Jürgen Sparwasser erzielt 1974 im Hamburger Volksparkstadion das 1:0 gegen die Bundesrepublik Deutschland. Foto: dpa Legendärer Moment: DDR-Stürmer Jürgen Sparwasser erzielt 1974 im Hamburger Volksparkstadion das 1:0 gegen die Bundesrepublik Deutschland. Foto: dpa

Lassen Sie uns über das Tor, dass Sie zur Legende gemacht hat, reden.

Das war wie aus dem Lehrbuch. Besser kann man das nicht machen. Heute würde man sagen, das war geil von mir gemacht. Aber ohne die Vorarbeit von Jürgen Croy und Erich Hamann wäre mir das nicht gelungen.

Franz Beckenbauer hat damals nach dem Weltmeistertitel der BRD gesagt, man sollte Ihnen die 23. WM-Goldmedaille überreichen.
 
(lacht) Auf die warte ich heute noch. Klar, ohne mein Tor und deren Niederlage wäre die BRD kein Weltmeister geworden. Sie hatten als Zweiter der Vorrunde danach die leichteren Gegner als wir. Wir mussten nach der Vorrunde gegen Brasilien, Argentinien und Holland ran.
 
Einem Journalisten haben Sie Jahre danach mal gesagt, es reicht, wenn später auf Ihrem Grabstein stehen würde „Hamburg 1974“ – und jeder würde wissen, wer dort begraben liegt.
 
Das habe ich gesagt. Das war damals der Sohn eines guten Bekannten, der bei einer Zeitung gerade ein Volontariat angefangen hatte. Ich wollte ihm einen Gefallen tun und ihm damit seine Schlagzeile liefern. (lacht)
 
War das Tor damals tatsächlich Ihr wichtigstes während Ihrer Karriere?
 
Nein, mein wichtigstes Tor war 1974 das 2:1 mit dem 1. FC Magdeburg im Europacup-Rückspiel gegen Sporting Lissabon. Dadurch sind wir ins Finale eingezogen und haben dort gegen den AC Mailand dann den einzigen Europacupsieg einer DDR-Mannschaft geholt.
  • Jürgen Sparwasser (re.) und der Brasilianer Rivelino tauschen bei der WM 1974 ihre Trikots. Die DDR unterlag damals mit 0:1. Foto: DPA
  • Jürgen Sparwasser (re.) und der Brasilianer Rivelino tauschen bei der WM 1974 ihre Trikots. Die DDR unterlag damals mit 0:1. Foto: DPA

Danach ging es für Sie zur WM. Der damalige DDR-Auswahltrainer war mit Georg Buschner ein Jenaer. Was war er für ein Mensch?

Ich würde ihn mit meinem damaligen Heimtrainer Heinz Krügel auf eine Stufe stellen. Er war autoritär und hatte einen unheimlichen Fußballverstand. Und er hatte das Gespür, immer die richtigen Spieler einzusetzen.
 
Im Spiel gegen die BRD hat er Ihnen den Vorzug vor seinem Jenaer Vereinsspieler Peter Ducke gegeben. Ganz schön mutig. Oder?
 
1974 war mein Jahr mit dem Verein. In solchen Spielen war mehr gefragt, als nur vorn zu stehen und die Dinger rein zu hauen. Das hat Buschner richtig gesehen und mich berechtigt aufgestellt.
 
Und was hat Ducke gesagt?
 
Er soll es bis heute noch nicht verkraftet haben, dass ich für ihn damals gespielt habe. Wenn es darum geht, gerade in diesem Spiel nicht dabei zu sein, wird er zum Tier. Aber das kann ich heute noch nachvollziehen. Er und Joachim Streich waren die, die viel mehr als ich im DDR-Fußball erreicht hatten. Aber es gab nie böse Worte von Peter Ducke gegen mich. Wenn wir uns sehen, ist alles Okay. Wir verstehen uns blendend.
 
Gibt es solche Typen wie Buschner heute noch?
 
Der Jenaer Hans Meyer war der letzte, der ihm nahekam. Vielleicht sind Thomas Tuchel und Jürgen Klopp auch solche. Aber da weiß ich nicht, welche Ansprachen sie auf dem Trainingsplatz oder in der Kabine haben.
 
Sie leben seit vielen Jahren in Hessen, nahe Frankfurt. Verfolgen Sie noch den Fußball im Osten?
 
Natürlich. Vor allem die dritte Liga mit den vielen Derbys, die es damals schon in der DDR gab.
 
Lebt der Fußball-Osten wieder?
 
Da muss man sich nur die Zuschauerzahlen in Dresden oder Magdeburg ansehen. Die Vereine und Fans dort lechzen nach 2. Liga und mehr. Dazu kommt, dass überall neue Stadien gebaut werden. Auch in Erfurt. Sogar in Zwickau. Nur irgendwie läuft Jena da nach meinen Infos noch hinterher. Warum auch immer. Trotzdem, mit den neuen Arenen wird Westniveau erreicht. Vielleicht sogar noch besser.
  • Der inzwischen verstorbene Sportreporter Rudi Michel (li.) und Jürgen Sparwasser vor zehn Jahren bei der Eröffnung der Ausstellung „Das Spiel“ im Historischen Museum in Berlin. Foto: Franka Brauns
  • Der inzwischen verstorbene Sportreporter Rudi Michel (li.) und Jürgen Sparwasser vor zehn Jahren bei der Eröffnung der Ausstellung „Das Spiel“ im Historischen Museum in Berlin. Foto: Franka Brauns

RB Leipzig klopft an die Tür zur Bundesliga. Was halten Sie von dem Projekt?

Ich begrüße das sehr. Mag sein, dass mir da jetzt viele widersprechen. Aber etwas besseres als RB kann dem Osten nicht passieren.
 
Warum?
 
Weil sie in der Stadt und dem nahen Umfeld angenommen werden. Weil sie für 45 Millionen Euro ein Nachwuchsleistungszentrum gebaut haben, dass nur der FC Bayern zu bieten hat. Fußball-Leipzig hatte früher viele Interessenten, aber die waren nur wegen der Kohle dort engagiert und waren auch schnell wieder weg. Red Bull aber baut etwas auf, was zukunftstauglich ist.
 
Kritiker meinen, RB sei ein Retortenverein ohne Tradition.
 
Und was ist Hoffenheim? Was ist der VfL Wolfsburg oder der Aspirin-Club in Leverkusen? Ohne solche Geldgeber wäre die Bundesliga überhaupt nicht konkurrenzfähig gegenüber den Ligen in England oder Spanien. Die Leute hier sollen aufhören, zu kritisieren.
 
Wenn Sie den Fußball heute so sehen, wären Sie lieber 50 Jahre später geboren?
 
Ehrliche Antwort?
 
Ja klar.
 
Nein. Das kann mir keiner mehr nehmen, was ich damals erreicht habe. Ich wurde mit Magdeburg dreimal DDR-Meister, viermal Pokalsieger, einmal Europacupsieger und war bei der WM dabei. Ich trauere nichts nach. Sportlich habe ich alles erreicht. Nur finanziell hätte ich damals in Jena sicherlich mehr verdient als in Magdeburg.
 
Nur der Olympiasieg 1976 in Montreal fehlt in Ihrer Vita. Wieso eigentlich?
 
Weil ich damals politisch ausgebootet wurde, wie auch der Dresdner Hansi Kreische. Aber das ist eine lange Geschichte. Die würde ich gern nächste Woche in Tabarz erzählen.
 
Apropos Tabarz, Sie wollen dort für Nachwuchsarbeit im Fußball werben. Die liegt Ihnen sehr am Herzen?
 
Ich war lange Jahre bei Eintracht Frankfurt mit Charly Körbel Projektleiter für Talenttraining. Heute widme ich mich dieser Aufgabe in Alzenau, das liegt in Unterfranken. Darüber habe ich auch zwei Bücher geschrieben. Ich möchte meinen Besuch in Thüringen auch dazu nutzen, um mit Verantwortlichen und Fußballtalenten ins Gespräch zu kommen.
 
Zum Beispiel mit wem?
 
Beim Länderspiel zuletzt in München gegen Italien habe ich Thüringens Fußballchef Wolfhard Tomaschewski getroffen, ihm von meinem Anliegen erzählt und bin, so glaube ich, auf offene Ohren gestoßen. Mir geht es um die Frage, wie man kleinere Vereine unterstützen kann. Unsere Fußballzukunft in Deutschland geht nur über eine gute Nachwuchsarbeit. Ich möchte meine Erfahrungen gern weitergeben, auch in Thüringen.
 
Wie war das bei Ihnen damals als Talent?
 
Ich bin in Halberstadt geboren und wollte immer ein Großer werden. Mit 14 Jahren hatte ich das Glück, dass mich der 1. FC Magdeburg wollte. Einfach war das nicht, so weit weg vom Elternhaus. Ich habe mich damals aber durchgesetzt. Um das zu schaffen, muss aber alles passen. Das würde ich gern Talenten erzählen und sie animieren – ohne das nun jeder gleich ein zweiter Sparwasser oder Lukas Podolski werden muss.
 
Ein Tipp zum Schluss von Ihnen, wird Deutschland Europameister?
 
(lacht) Ich war beim 4:1 in München gegen Italien im Stadion. Wenn alle bei der EM so spielen wie Italien, dann werden wir Europameister. Natürlich war das nur ein Test, den man nicht überbewerten sollte. Ab Juni geht es zur Sache. Wir haben eine gute Truppe. Mit unserem bekannten Teamgeist und unserer Fitness bei solchen Turnieren gehören wir zum Favoritenkreis. Mit dem Quäntchen Glück, das man braucht, kommen wir bei der EM weit. Sehr weit vielleicht.
 
Jürgen Sparwasser ist am 20. April zu Besuch in Thüringen: Beginn um 19.30 Uhr im Kulturzentrum KuKuNa in Tabarz, Lauchagrundstraße 12 a. Der Kartenverkauf erfolgt über die „Fussballzeitreise“, Telefon 0172 5722150 und die Touristinfo Tabarz, Telefon 036259 5600