Fußball-Experte Peter Neururer hat nach seinem Herzinfarkt Lust auf einen neuen Job

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Presseberichte

Freut sich am Freitag auf ein Wiedersehen mit Thüringen: Fußballexperte Peter Neururer. Foto: Axel Heimken

Bericht von Thomas Czekalla / 15.02.16 / TLZ

Herr Neururer bei meinem ersten Anrufversuch am Mittag habe ich Sie beim Golfen gestört. Schön, dass es jetzt am Abend geklappt hat. Haben Sie wenigstens Ihr Handicap auf dem Platz verbessert?
Nein, aber Spaß hat es trotzdem gemacht.
Welches Handicap haben Sie denn?
12,9.
Ist das gut?
Es könnte vielleicht besser sein. Aber ich bin ja kein Profi. Mir macht es Spaß in Bewegung und an der Luft zu sein.
Das könnten Sie derzeit auch als Trainer sein. Gab es nach Ihrer Entlassung in Bochum im Dezember 2014 keine Anfrage?
Ich warte noch ab. Es muss passen, von beiden Seiten. Im Moment bin ich bei Sport1 als Experte beschäftigt. Das macht mir Spaß. Aber natürlich möchte ich mal wieder als Trainer arbeiten. Ich bin total fit.
Es ist schön, dass Sie das wieder sagen können von sich. Am 12. Juni 2012 wäre Ihr Leben fast vorbei gewesen. Ausgerechnet beim Golfen hatten Sie damals einen schlimmen Herzinfarkt erlitten.
Ich hatte da viel Glück. 99 Prozent der Betroffenen sterben bei dieser Art Herzinfarkt. Ich weiß nichts mehr davon. Mir fehlen vier Tage. Drei davon lag ich im Koma.
Neun Monate später haben Sie beim VfL Bochum schon wieder als Trainer unterschrieben. War das nicht riskant?
Ich hätte drei Monate danach schon wieder auf dem Platz stehen können.
Hat Ihnen Ihre Frau damals nicht einen Vogel gezeigt?
Meine Frau kennt mich. Sie weiß, dass ich ein Fußballverrückter bin. Fußball ist für mich wie Urlaub.
Verstehen Sie Ihren Trainerkollegen Huub Stevens, der vergangene Woche in Hoffenheim wegen Herzrhythmusstörungen das Handtuch geworfen hat?
Absolut. Mit der Gesundheit sollte man nicht pokern. Es ist aber schade, dass Huub aufhört, denn er ist ein unglaublich erfolgreicher Trainer, zudem sympathisch und authentisch.
Herr Neururer, Ihnen haftet etwas der Ruf eines Feuerwehrmannes an. Stört Sie das?
Den Begriff haben mir Journalisten verpasst. Wie die drauf gekommen sind ist mir egal. Fakt ist, ich bin über 30 Jahre in dem Geschäft, habe in zwölf Stationen 619 Pflichtspiele im bezahlten Fußball als Trainer gearbeitet. Ich habe es mir abgewöhnt, mich über Begriffe wie Feuerwehrmann aufzuregen. Sollen die schreiben, was sie wollen. In meinem Alter kann ich an meinem Image eh nichts mehr ändern. Für mich sind andere Parameter des Trainerberufes wichtiger.
Welche denn?
Wichtig ist, dass ich mit der Mannschaft Erfolg habe. Wichtig ist auch, wie die Spieler nach meiner Arbeit mit mir umgehen. Da habe ich absolut gute Erfahrungen gemacht.
Zum Beispiel?
Darmstadts Dirk Schuster ist so ein Beispiel, wenn er mich anruft, mich um Rat fragt oder so. Er macht dort seit Jahren ganz tolle Arbeit. Das sieht jeder, was für eine gute Rolle Darmstadt 98 als Aufsteiger gerade in der Bundesliga spielt.
Vor Ihrer Zeit in Bochum spielte dort ein gewisser Thorsten Legat. Der war jüngst im Dschungelcamp bei RTL. Wäre das mal etwas für Sie?
(lacht) Na herzlichen Glückwunsch! Fragen Sie lieber etwas anderes.
Was halten Sie von der Situation im Ostfußball?
Sie ist schlimm, weil die ganzen Traditionsvereine dort leider finanziell nicht auf Rosen gebettet sind. Nur RB Leipzig wird es dank der Millionen von Außen ganz nach oben bis in die Champions League schaffen. Das ist die Ausnahme. Aber das ist bei uns im Fußballwesten nicht anders, wenn ich an Vereine wie Rot-Weiss Essen oder Oberhausen denke. Die Kluft zwischen wenigen reichen Vereinen und den armen wird immer größer.
Hätten Sie eine Lösung?
Helfen würde es schon viel, wenn man die Fernsehgelder im Sinne des Fußballs besser einsetzen würde.
Das wollen die Bayern zum Beispiel nicht, weil sie von allen Vereinen im Fernsehen am präsentesten sind.
Deren Ansprüche verstehe ich sogar. Aber nur teilweise, denn die brauchen auch einen konkurrenzfähigen Wettbewerb, der nicht auf Langeweile basiert.

In München soll man sich mit einer europäischen Superliga beschäftigen, die sehr lukrativ wäre ...
Dann geht der Fußball kaputt. Das kann keiner wollen.
Ihre große Liebe soll Schalke 04 sein, wo Sie zwischen 1989 und 1990 auch Trainer waren. Stimmt das?
Ich bin Schalke-Mitglied, aber kein Fan.
Könnten Sie sich irgendwann eine Rückkehr auf Schalke vorstellen?
Wenn Bedarf da wäre, ja. Aber lediglich als Sportdirektor oder als Trainer. Alles andere kann ich nicht und will ich nicht.
In dieser Woche sind Sie in Tabarz zu Gast. Nicht Ihr erster Besuch in Thüringen. Oder?
Oh nein, ich sage nur Erfurt, immer wieder Erfurt. Anfang der 90er Jahre war ich mit dem 1. FC Saarbrücken dort, später mit Ahlen und Duisburg im DFB-Pokal. Mit Ahlen hatten wir ein unglaubliches Elfmeterschießen verloren. Das war für mich hart an der Schmerzgrenze.
Was gefällt Ihnen an Thüringen?
Die Menschen. Ich habe nur positive Erfahrungen mit ihnen gemacht. Ein wirklich nettes und ehrliches Völkchen.
Was ist mit der Thüringer Bratwurst?
Eine der größten Leckereien, die ich je gegessen habe. Immer wenn ich in Thüringen Spiele beobachtet habe, habe ich so eine Wurst verdrückt. Ich bin nicht so ein Schicki-Micki-Mensch, der auf tolle Buffets in VIP-Räumen steht. Jetzt haben Sie mir aber gerade echt Appetit auf die Bratwurst gemacht.
Ich bin mir sicher, die Leute der Fußballzeitreise werden Ihnen am Freitag eine spendieren.
(lacht) Das hoffe ich doch sehr.

Neururers beste Sprüche

„Ich werde die fünf Wochen Pause genießen und jeden Tag die Tabelle anschauen.“ (Neururer war damals mit dem VfL Bochum Fünfter – vor Schalke und Dortmund)
„Ich beschränke mich darauf, eine gewisse Art von Zufriedenheit darzustellen.“
„Bei Elfmeter kann er ja nicht gedeckt werden.“ (Neururer auf die Frage, warum Benjamin Lauth drei Tore gegen sein Team schießen konnte)
„Die fußballerische Intelligenz ist die Grundlage, um einen sportartspezifischen Intellekt aufzubauen.“
„Nach der heutigen Regelauslegung hätte ich damals schon beim Aufwärmen die Gelbe Karte gekriegt.“ (Neururer wurde als Spieler „Blutgrätsche“ genannt)
„Schweigen ist feige.“ (Neururers Lebensmotto)
„Bochum kann Meister werden, wenn auch nicht sofort.“
„Soll ich als 150. Trainer mit denen Deutscher Meister werden?“ (Neururer zur Frage, weshalb er nicht zu den Bayern wechselt)

ZUR SACHE: Talkrunde 2016 startet mit Neururer

Fußballexperte Peter Neururer ist am kommenden Freitag (19. Februar) um 19 Uhr Talk-Gast bei der Fußballzeitreise E.V. im KuKuNa in Tabarz. Tickets sind in der KuKuNa in Tabarz, bei der Fußballzeitreise (0163/1745072) oder in der Touristikinformation Tabarz (036259/5600) erhältlich.
Am 22. März (19 Uhr) ist der Vizeweltmeister von 1982 und Europameister von 1980 Hansi Müller zu Gast in Tabarz
Am 20. April (19 Uhr) ist DDR-Fußball-Legende Jürgen Sparwasser Gast der Fußballzeitreise
Thomas Czekalla / 15.02.16 / TLZ